Versicherungen

Provisionsdeckel bei Lebensversicherungen steht auf der Kippe

Das Bundesfinanzministerium will die Vertriebsvergütung begrenzen. Die Union lehnt den Entwurf in der Form ab. Steht das Vorhaben jetzt vor dem Aus?

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Das Bundesfinanzministerium in Berlin

Der Entwurf aus dem SPD-geführten Haus stößt bei der CDU auf Widerstand.(Foto: dpa)

Berlin. Es ist ein eher ungewöhnlicher Verlauf für eine Gesetzesinitiative der Regierung. Acht Monate nachdem das SPD-geführte Bundesfinanzministerium (BMF) einen Referentenentwurf über die Provisionsdeckelung bei Lebens- und Restkreditversicherungen vorgelegt hat, können sich die Ministerien immer noch nicht auf einen Kabinettsvorschlag einigen.

Der CDU-Finanzpolitiker Carsten Brodesser weiß warum: „Es macht keinen Sinn, dem Kabinett einen Gesetzentwurf vorzulegen, der nachher in der parlamentarischen Beratung zerrissen wird“, sagte Brodesser dem Handelsblatt.

Er ist der zuständige Berichterstatter seiner Fraktion für dieses Vorhaben. Mit den anderen Finanzpolitikern der Union ist er sich einig, dass die Regelung in jetziger Form nicht durchkommen wird.

Das BMF hält die Vertriebskosten für Lebens- und Restkreditversicherungen für zu hoch. Restkreditversicherungen dienen dazu, Verbraucher bei Rückzahlungsverpflichtungen aus einem Bankdarlehen bei Risiken wie Tod oder Arbeitsunfähigkeit abzusichern. Dabei erhalten Kreditinstitute von den Versicherungen einen großen Teil der vom Darlehensnehmer gezahlten Versicherungsprämie als Provision.

Durch zu üppige Vergütungen bei der Vermittlung würden Fehlanreize entstehen, die zulasten der Verbraucher gehen, glaubt das BMF. Der im März 2019 vorgelegte Gesetzentwurf setzt da an.

Danach sollen die Abschlussprovisionen bei der Vermittlung von Lebensversicherungen auf 2,5 Prozent der Beitragssumme begrenzt werden, bei Erfüllung bestimmter qualitätsabhängiger Kriterien können es vier Prozent sein. Bei den Restschuldversicherungen soll ein Provisionsdeckel von 2,5 Prozent eingezogen werden.

Für die CDU sind die geplanten Regelungen bei der Lebensversicherung nicht nachvollziehbar. „Die durchschnittliche Abschlussvergütung bei Lebensversicherungsverträgen liegt mit 3,77 Prozent schon jetzt unter dem gewünschten Wert von vier Prozent“, so Brodesser. Für die überwiegende Mehrheit des Versicherungsmarktes wird folglich kein Handlungsbedarf gesehen.

Die Bafin soll einschreiten

Geht es nach der Union, sollen Versicherungsunternehmen künftig verpflichtet werden, die tatsächlich gezahlten maximalen Provisionssätze der Finanzaufsicht Bafin zu melden. Die Bafin soll intervenieren, wenn eine zu hohe Abweichung vom marktüblichen Durchschnitt festgestellt werden sollte.

Dabei sieht die Union eine Abweichung von bis zu 30 Prozent von der marktdurchschnittlichen Provisionshöhe als marktüblich an. Das ist mit der SPD nicht zu machen. „Wenn allein auf die marktübliche Provisionshöhe abgestellt wird, ist das für uns kein ausreichendes Instrument, um eine wirksame Deckelung zu erreichen“, sagte der finanzpolitische Sprecher der SPD, Lothar Bindung, dem Handelsblatt.

Verbraucherschützer glauben, dass der vom BMF angedachte Provisionsdeckel nicht dafür sorgen wird, dass Verbraucher hinsichtlich Beitrag und Laufzeit bedarfsgerecht beraten werden. Aber für „völlig falsch“ hält Lars Gatschke, Versicherungsexperte beim Verbraucherzentralen-Bundesverband den Ansatz, „sich beim Deckel oberhalb des Marktdurchschnitts zu orientieren“. Damit könne der Deckel ja durch die Versicherungswirtschaft selbst nach oben getrieben werden.

Besser sieht es beim Deckel für die Restkreditversicherung aus. Hier haben die Unionsfinanzpolitiker keine Einwände gegen die geplanten Eingriffe.

Bislang lagen die Versicherungsprovisionen hier teilweise zwischen fünf und sechs Prozent der Darlehenssumme und machten bis zu 70 Prozent der Gesamtprämie aus.

Die Finanzpolitiker der Union wollen die Versicherungsprovisionen bei drei Prozent der Darlehenssumme deckeln, der BMF-Vorschlag liegt bei 2,5 Prozent.

Um eine Aushöhlung der Leistung bei gleichbleibendem Preis zu verhindern, soll zudem der Provisionsanteil nicht höher sein als 50 Prozent der Gesamtprämie.

Für Verbraucherschützer Gatschke bleibt die Restschuldversicherung ein Geschäft zulasten der Verbraucher. „Wenn die Hälfte der Prämie für Provisionen draufgeht, ist das Wucher.“

Brodesser wünscht sich eine koalitionsinterne Einigung, kann sich im Zweifelsfall aber auch vorstellen, die Restkreditversicherung aus dem Gesetzesvorhaben herauszulösen, um schneller zu einem Ergebnis im Sinne der Verbraucher zu kommen.

Da mahnt SPD-Politiker Binding allerdings zum üblichen parlamentarischen Verfahren: „Bevor der Gesetzentwurf im Bundestag erörtert werden kann, muss es eine Einigung im Bundeskabinett geben.“ Nach einer baldigen Einigung klingt das nicht.

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