Schweizer Aktienmarkt
Die Börsenwoche im Schnelldurchlauf
Egal ob groteske Züge bei der Jagd nach Klicks, alter Wein in neuen Schläuchen bei Clariant oder die Stunde der Wahrheit für AMS: Der cash Insider kommentiert die wichtigsten Börsenereignisse der Woche.
by cash InsiderDer cash Insider ist unter @cashInsider auch auf Twitter aktiv. Lesen Sie börsentäglich von weiteren brandaktuellen Beobachtungen am Schweizer Aktienmarkt.
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Seit wenigen Tagen kommt der Schweizer Aktienmarkt kaum noch vom Fleck. Treten an Ort ist angesagt. Den hiesigen Aktienindizes scheint die Höhenluft nicht länger gut zu bekommen. Ein Handelstag ähnelt dem anderen, mit einem entscheidenden Unterschied: Die Volumina sind dünn. Das ist allerdings nicht ungewöhnlich, haben sich die mächtigen amerikanischen Marktakteure doch ins lange Thanksgiving-Wochenende verabschiedet.
Trotz dünnen Handelsvolumina blicken wir auf eine ziemlich bewegte Woche zurück. Zu reden gab unter anderem ein weiterer milliardenschwerer Firmenkauf durch Novartis. Fast 10 Milliarden Dollar lässt sich der übernahmehungrige Pharmakonzern aus Basel die Verstärkung des eigenen Geschäfts mit Herz-Kreislauf-Medikamenten durch die amerikanische The Medicines Company kosten.
Während die einen Branchenkenner einen geschickten Schachzug dahinter vermuten, sprechen die anderen von einer kostspieligen Wette auf den Schlüsselwirkstoff Inclisiran. Der Wirkstoff zählt zur neusten Generation der Cholesterinmedikamente. Da dieser Markt als hart umkämpft gilt, gehen die Meinungen zum kommerziellen Potenzial von Inclisiran weit auseinander.
Unter dem aufstrebenden Novartis-Chef Vas Narasimhan gab Novartis in den letzten zwei Jahren satte 25 Milliarden Dollar für Firmenübernahmen aus. Bei vielen der dabei erworbenen Wirkstoffe wird sich erst in ferner Zukunft zeigen, ob sich die Übernahmen aus Aktionärssicht überhaupt lohnen. Bei mir lässt der Kaufrausch Narasimhans böse Erinnerungen an die Ära Daniel Vasellas aufkommen - selbst wenn die jetzige Akquisitionspolitik zugegebenermassen fokussierter daherkommt.
Am heutigen Freitag fiel der Kurs der Aktien der ehemaligen Novartis-Tochter Alcon kurzum unter den seinerzeitigen Eröffnungskurs des Börsendebüts vom April. Dass die Abspaltung vom Basler Mutterhaus - die Kosten für die zusätzlichen Restrukturierungsmassnahmen aufgerechnet - rund eine halbe Milliarde Dollar mehr als ursprünglich erwartet kostet, kommt insbesondere im angelsächsischen Raum gar nicht gut an.
Kursentwicklung der Alcon-Aktien seit dem Börsengang im April (Quelle: www.cash.ch)
Der Versuch eines Mitglieds der Geschäftsleitung, mit dem Kauf von Aktien der eigenen Arbeitgeberin in Höhe von umgerechnet gut 1,1 Millionen Franken ein Zeichen zu setzen, entfaltete in den letzten Tagen nicht die erhoffte Wirkung. Mal schauen, ob das nicht ausländische Leerverkäufer auf den Plan ruft.
Für den "Skandal der Woche" sorgte ausgerechnet das als renommiert geltende "Wall Street Journal", als eine für das Wirtschaftsblatt tätige Journalistin von einer 1,5 Milliarden Dollar schweren Wette des bekannten amerikanischen Milliardärs Ray Dalio auf einen Einbruch an den Aktienmärkten berichtete. Über den Nachrichtendienst Twitter liess Dalio die Finanzgemeinde wissen, dass sein Hedgefonds Bridgewater keine solche Wette am Laufen habe. Vielmehr verbergen sich Absicherungstransaktionen dahinter, wie zwischen den Twitter-Zeilen zu lesen war. Angeblich habe die Journalistin schon vor der Veröffentlichung des Artikels davon gewusst.
Negative Nachrichten verkaufen sich halt nun mal besser als positive Nachrichten. Das war schon immer so. Allerdings nimmt die Jagd nach möglichst vielen Klicks immer groteskere Züge an - wobei wir Medienschaffenden tagtäglich mit dem höchste Gut überhaupt hantieren: Der eigenen Glaubwürdigkeit.
Kritik musste am Mittwoch der für die Credit Suisse tätige Analyst Chris Counihan einstecken, als er in einer Unternehmensstudie die Wiederabdeckung der Aktien von Clariant mit "Outperform" und einem Kursziel von 24 Franken aufnahm. Der Analyst verkaufe "alten Wein in neuen Schläuchen", so lautet der Vorwurf. Nicht ganz unbegründet, macht Counihan doch die geplanten Bereichsverkäufe und die zu erwartende Rückführung des Verkaufserlöses an die Aktionäre zum Herzstück seiner positiven Einschätzung. Da waren andere Berufskollegen um einiges schneller. Für Analyst Markus Mayer - er gilt seit Jahren als profunder Branchenkenner - sind eine mögliche Spezialdividende oder ein Aktienrückkaufprogramm in Milliardenhöhe schon seit Wochen ein allgegenwärtiges Thema.
Zur Erinnerung: Nachdem die oppositionelle Aktionärsgruppe White Tale ihr Aktienpaket in einer Nacht-und-Nebel-Aktion dem langjährigen Partnerunternehmen Sabic verkaufte, stufte die Credit Suisse die Papiere von "Neutral" auf "Underperform" herunter - bis sie die Abdeckung des Spezialitätenchemieherstellers irgendwann ganz aussetzte.
Regelmässige Leserinnen und Leser wissen, dass ich Sonderdividenden und Aktienrückkäufe als ziemlich einfallslos erachte.
Beim Sensorenhersteller AMS naht die Stunde der Wahrheit. Von Donnerstag auf Freitag nächste Woche endet die Angebotsfrist für die Übernahme von Osram. Bis dahin müssen die Aktionäre der früheren Siemens-Tochter ihre Aktien angedient haben.
AMS selber hält in einer Medienmitteilung fest, dass bis Donnerstagabend keine 5 Prozent der Aktionäre davon Gebrauch machten. Weitere knapp 20 Prozent hält das Unternehmen selbst. Bis nächsten Donnerstag muss allerdings noch einiges gehen, soll das Angebot die vordefinierte Mindestannahmeschwelle von 55 Prozent erreichen.
Ganz ohne in der Medienmitteilung eine Drohkulisse aufzubauen, geht es denn nicht. Man werde bei einem Scheitern während mindestens sechs Monaten keine weiteren Osram-Aktien mehr erwerben und kein weiteres Angebot mehr auflegen, so der Sensorenhersteller. Und er warnt vor erheblich tieferen Kursen, sollten nicht die erhofften 55 Prozent zusammenkommen.
Der Kursrückgang bei den Osram-Aktien lässt auf ein erneutes Scheitern von AMS schliessen (Quelle: www.cash.ch)
Diese Drohung ist wohl vor allem für die Trittbrettfahrer aus der Hedgefonds-Industrie gedacht. Nicht bestätigten Berichten zufolge haben sie sich in Erwartung einer erneuten Offertnachbesserung mit 35 bis 45 Prozent der Stimmen bei Osram eingenistet.
Es ist ein Spiel der Trittbrettfahrer mit dem Feuer. Wenn sie sich da mal bloss nicht die Finger verbrennen. Mehr zu diesem Thema in einer Woche, wenn es wieder heisst: Die Börsenwoche im Schnelldurchlauf.
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