Für mehr Klimaschutz: Greta auf Russisch
by Inna Hartwich aus MoskauDer junge Geiger Arschak Makitschjan befindet sich seit fast 40 Wochen im Klimastreik. In Moskau bleibt er mit seinem Protest gezwungenermassen alleine.
Arschak Makitschjan hat sich die Winterjacke tief ins Gesicht gezogen. Manchmal hüpft er von einem Bein aufs andere. In Moskau schneit es. Er holt sein Kartonschild aus dem Rucksack heraus, stellt sich vors Puschkin-Denkmal im Zentrum der russischen Hauptstadt. «Streik fürs Klima» steht auf dem Schild.
Seit März trägt er es bei sich, steht am Puschkin-Platz, manchmal auch vor dem Parlament, vor der Präsidialverwaltung. Während auf der ganzen Welt am Freitag wieder Millionen Menschen für einen besseren Klimaschutz demonstrieren, bleibt es in Moskau ein einsamer Protest.
Ein Dutzend Mal hatte Arschak Makitschjan die Stadtverwaltung um eine Versammlungsgenehmigung erbeten, ein Dutzend Mal wurde sie ihm verwehrt. Seit bald 40 Wochen geht das so. Deshalb stellt sich der 25-jährige Geiger allein auf Strassen Moskaus und hält sein «Streik fürs Klima»-Schild hoch. Greta auf Russisch.
Russland lebt von Öl, Gas und Kohle
«Irgendwann habe ich verstanden, dass auch ein Mensch allein etwas bewirken kann», sagt Arschak Makitschjan nach seiner Mahnwache in der Kälte. Nur Einzelprotest ist nicht genehmigungspflichtig in Russland. Ökologie habe ihn schon als Jugendlichen interessiert. Zwei Jahre probierte er sich als Vegetarier, die Eltern befanden, es mache ihn krank. Jetzt ist er vegan, die Eltern nehmen es hin, trennen nun auch den Müll.
Russland hat vor wenigen Wochen das Pariser Klimaschutzabkommen ratifiziert. Politische Augenwischerei nennen es Russlands Klimaschützer. Auch Arschak Makitschjan ist skeptisch. «Die Regierung muss die Wahrheit über die Klima-Krise aussprechen», sagt er.
In Russland ist es nicht einfach, sich für etwas einzusetzen, das die Mehrheit des Landes für ein «Hirngespinst» hält. Das Land lebt von Öl, Gas und Kohle. Ein Abbruch des Protests aber kommt für Arschak Makitschjan nicht in Frage. Im Juni hat er das Moskauer Konservatorium abgeschlossen, hat seine Geige dort abgegeben, beim Instrument zu Hause hat er die Saiten längst nicht mehr gestimmt.
Um etwas Geld zu verdienen, will er bald Geigenunterricht geben, vielleicht. «Aktivismus ist jetzt wichtiger als alles andere», sagt er und wird auch nächsten Freitag wieder hier stehen, am Puschkin-Denkmal in Moskau.
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