Comic-Biografie: Typex: "Rembrandt war ein ungehobelter Tölpel in einer Welt, die er nicht ganz verstanden hat"
Vor 350 Jahren ist er gestorben, der große niederländische Meister des Barocks, und noch heute kennt ihn jeder unter seinem Vornamen: Rembrandt. Nun erschien seine Biografie auf Deutsch, als vergnüglicher, spannender Comic, der den Leser ins 17. Jahrhundert entführt.
by Susanne BallerWenn man an Rembrandt denkt und schon einmal eines seiner Bilder im Museum gesehen hat, denkt man zunächst an eine Farbe: Dunkelbraun. Er verwendete sie auf seinen Porträts und Selbstporträts als Hintergrundfarbe, was beim Betrachten der Bilder dafür sorgt, dass man sich die Zeit des niederländischen Barocks dunkler vorstellt als die heutige. Das stimmt vor allem im übertragenen Sinn: Das Leben war härter, rauer, anstrengender und oft eine Sache des Überlebens.
Der Amsterdamer Illustrator Typex ist im Auftrag des Rijksmuseums in diese Zeit eingetaucht. Drei Jahre lang hat er an Rembrandts Biografie gearbeitet, die in Holland bereits 2013 erschienen ist. Das Museum ließ ihm alle Freiheit: Da nur wenig aus der Zeit überliefert ist, durfte Typex seinen Rembrandt so erfinden, wie er ihn sich vorstellt. Das ist ihm derart gut gelungen, dass man sich nach der Lektüre nicht mehr vorstellen kann, dass auch nur ein Tag im Leben Rembrandts anders gewesen sein könnte als in seiner Biografie. Die großartige Arbeit hat der Carlsen Verlag nun auf Deutsch herausgebracht und sie ist pures Lesevergnügen: saftig und prall, voller Sex und Gewalt, spannend bis zur letzten Seite. Der stern hat Typex zum Interview getroffen.
Weißt du, warum das Rijksmuseum dich als Illustrator für die Biografie von Rembrandt ausgesucht hat?
Ich war total überrascht, muss ich sagen, geradezu verblüfft. Sie kannten zwar meine Arbeit, aber ich habe sie gefragt: Was wollt ihr denn genau? Glaubt ihr wirklich, ich bin der Richtige dafür? Und sie sagten: Wir haben dich ausgesucht, weil das Letzte, was wir wollen, ein Lehrbuch ist. Wir lassen dir alle Freiheit, was du daraus machst. Ein sehr moderner Ansatz für ein klassisches Museum.
Das Buch ist von Rolf Erdorf fantastisch ins Deutsche übersetzt, es ist sehr amüsant und unterhaltsam.
Ich bin so glücklich darüber! Auch wenn das Buch wegen der unterschiedlichen Charaktere der Hauptfiguren nicht so viel Text hat, sind die Worte nicht weniger wichtig. Ich dachte zuerst: Oh mein Gott, Rembrandt ist aus Leiden und ich weiß nichts über die Stadt! Dann habe ich gelesen, dass er fast sein ganzes Leben in Amsterdam verbracht hat und ich wollte, dass man das spürt. In der niederländischen Ausgabe ist die Sprache deshalb sehr "Amsterdam", also nicht "antik". Es sagt zwar niemand fuck, aber es sollte die normale Sprache der heutigen Menschen sein.
Wie historisch genau konntest du arbeiten?
Ich habe mit den Fakten begonnen, aber vieles ist unbekannt. Das war der spannendste Teil, alle Rätsel "zu lösen". Das Buch steigt damit ein, dass ein Elefant nach Amsterdam gebracht wird und ich habe mich gefragt: Wie haben sie das große Tier vom Schiff gekriegt? Ich habe mich durch die ganze Welt gegoogelt, um einen Kran aus der Zeit zu finden, fand ihn aber nicht. Dann habe ich einen Freund gefragt, der Experte darin ist, Dinge im Internet zu finden, und er hat gesucht. In der Zwischenzeit hatte ich mir so ein Flintstone-artiges Ding vorgestellt. Ich dachte, sie hatten keinen hydraulischen Antrieb, es muss so etwas wie eine Tretmühle gewesen sein, mit der sie die Kraft erzeugt haben. Dann hat mein Freund tatsächlich ein einziges Bild gefunden und es sah genauso aus, wie ich es mir vorgestellt hatte. Total absurd.
Ich hatte aber auch ein Kollegen beim Rijksmuseum, der die historische Richtigkeit geprüft hat. Ich habe ihm jedes Kapitel gezeigt und seiner Expertise vertraut. Ich hatte zum Beispiel ein großes Fenster gemalt und er sagte: "Die gab es damals nicht, es gab nur kleine Scheiben, so wie Sprossenfenster." Oder er hat mich darauf hingewiesen, wenn ein Stuhl falsch gezeichnet war. Er war ganz fantastisch.
Der Elefant taucht dreimal in deinem Buch auf. Warum?
Wir wissen sicher, dass Rembrandt den Elefanten gezeichnet hat. Ich habe ein kleines Buch über ihn gelesen, er hieß eigentlich Hansken. Aber mein damaliger Verleger hieß Hansje und er ist ein sehr großer Typ, deswegen heißt der Elefant im Buch Hansje.
Hansken war wahrscheinlich der erste Elefant, der nach Europa kam. Und er reiste durch ganz Europa, zu sämtlichen Königshäusern, und viele Künstler nutzten unterwegs die Gelegenheit, ihn zu zeichnen. Dadurch kann man eine Art Tagebuch von Hanskens Leben schreiben. Man merkt, dass die Menschen – natürlich – nicht wussten, wie man mit einem Elefanten umgeht. So ein Tier muss laufen, aber sie hatten wahrscheinlich zu viel Angst davor, ihn freizulassen. Auf den letzten Zeichnungen von Hansken kann man sehen, dass seine Nägel in seine Füße gewachsen waren. Wie bei einem Papagei. Ich mag Tiere sehr und es ist eine Metapher für Rembrandt, der auch ein ungehobelter Tölpel war in einer Welt, die er nicht ganz verstanden hat. Der Elefant sucht ebenfalls nach Licht im Dunkel, die Einstiegssequenz zeigt also Dinge, die sich mit Worten nicht so gut erklären lassen.
Wenn du Rembrandt einen Tölpel nennst, hältst du ihn auch für etwas dumm?
Nein, das ist nicht das gleiche. Er verhält sich, gesellschaftlich betrachtet, kindisch, das kann man in den wenigen Berichten tatsächlich nachlesen. Er war sehr unhöflich und unverschämt zu Menschen. Er hat gerne gelästert, auch über Leute, von denen er abhängig war, etwa seine Mäzene. Er hatte mit jedem Ärger.
Du springst in der Biografie in der Zeit. Warum hast du dich für diese Erzählweise entschieden?
"Rembrandt" war meine allererste Biografie und ich wusste, sie würde im Museum zu sehen sein. Ich wollte die Leute nicht zu lange warten lassen und bin deswegen auf der Höhe seines Ruhmes eingestiegen. So sehen sie die "Nachtwache" und alles, was sie kennen, gleich zu Anfang und haben dann mehr Geduld für den Rest. Ich wollte einen filmischen Start, deswegen beginnt das Buch mit der Ankunft des Elefanten.
dpa
Rembrandts große Liebe war seine erste Frau, Saskia. Mit ihr bekam er einen Sohn, Titus. Man erhält bei der Lektüre den Eindruck, dass Rembrandt ihn nicht besonders mochte.
Ich habe mir vorgestellt, wie es sein musste, Rembrandts Sohn zu sein. Das bisschen, was man weiß, ist etwa die Liste der Gegenstände, die Rembrandt verkaufen musste, die ist Fakt. Sie enthielt ein Gemälde von zwei Hunden, gemalt vom Sohn des Künstlers. Aber es gibt ansonsten kein einziges bekanntes Bild von Titus, nirgends. Niemand hat ihn je als Künstler erwähnt. Also habe ich gedacht, er kann kein Künstler geworden sein, er hat früh damit aufgehört zu malen. Und bei der Tatsache, dass das eine Bild im Besitz des Vaters war, habe ich an Leute wie Jakob Dylan gedacht, den Sohn von Bob Dylan, oder Sean Lennon, die niemals aus dem Schatten ihres Vaters heraustreten können. Also habe ich diese Variante gewählt.
Ich habe an anderer Stelle gelesen, dass Rembrandt ein liebevoller Vater gewesen sein soll.
Ich wollte einen Vater-Sohn-Konflikt im Buch. Es ist so schwierig zu beurteilen, was wahr ist und was nicht. Die wenigen Dokumente, die wir haben, sind von Beerdigungen, Hochzeiten oder von seinem Besitz, aber es gibt sehr wenige Beschreibungen aus erster Hand. Die meisten Informationen sind aus dem 19. Jahrhundert, wo die Menschen eine romantische Vorstellung von ihm hatten. Filme über ihn basieren zum Beispiel darauf und nicht auf Primärquellen. Also dachte ich: Sie hatten ihre eigene Wahrheit, warum soll ich nicht meine haben? Und der Mann vom Rijksmuseum, der die PR macht, sagte: "Ich habe meinen internationalen Kontakten immer die Version aus dem 19. Jahrhundert erzählt, aber jetzt erzähle ich deine, die ist viel interessanter!"
Als Rembrandt seinen häuslichen Besitz an seine Gläubiger abgeben muss, ist auch ein Manneken Pis dabei, das man aus Brüssel kennt. Wie kam es dazu?
Die "Statue eines pinkelnden Kindes" stand tatsächlich auf der Liste der Gegenstände, die erhalten ist. Ich habe zwar ein, zwei Dinge hinzuerfunden, aber so eine Figur war tatsächlich dabei. Als ich das gelesen habe, habe ich sofort ans Manneken Pis gedacht.
Im Scherz sage ich manchmal: Erst habe ich eine Autobiografie über Rembrandt gemacht und dann eine über Andy Warhol. Die eine ist über das Aufwachsen in Amsterdam und das mühsame Leben als Künstler und die andere ist über alles, was ich liebe: die Welt des Pop, der Kinofilme, moderner Kunst und Illustration, all das, was mich ausmacht.