In diesen Berufen geben die meisten Lernenden auf
Jeder fünfte Lernende löst seinen Lehrvertrag vorzeitig auf. Besonders betroffen sind Coiffeusen, Köche und Elektroinstallateure.
by P. MichelFabio (18) hielt es nur ein Jahr in der Lehre als Elektroinstallateur aus. «Ich arbeitete meist mehr als zehn Stunden, und als ich mal eine Grippe hatte, sagte der Chef, ich könnte doch trotzdem kommen.» Daraufhin löste er den Lehrvertrag kürzlich auf. Auch Arjeta (25) kündigte ihre Coiffeurlehre und wechselte den Betrieb, weil sie sich ausgenutzt vorkam und nichts lernte. «Das war die beste Entscheidung, die ich treffen konnte.»
Die beiden sind keine Einzelfälle: Neue Zahlen des Bundesamts für Statistik zeigen, dass 21 Prozent der Lernenden aus ihrer angefangenen Berufslehre aussteigen. «Zwischen Sommer 2014 und Ende 2018 schlossen rund vier Fünftel der Lernenden ihre Ausbildung ohne Lehrvertragsauflösung ab. 17 Prozent erlebten eine Lehrvertragsauflösung und 4 Prozent mehrere», schreiben die Statistiker.
Kaufmännische Lehre wird weniger abgebrochen
Die meisten Lehrvertragsauflösungen gab es im untersuchten Zeitraum in den Branchen Friseurgewerbe und Schönheitspflege, Verkehrsdienstleistungen, Elektrizität und Energie sowie Gastgewerbe und Catering (siehe Video oben). Hier lagen die Quoten bei über 30 Prozent. Am wenigsten Abbrüche gab es im Bereich Wirtschaft und Verwaltung, wozu etwa das KV gehört.
Andrea Ruckstuhl, der bei Jobcaddie.ch Lernende berät, betont, die Zahl der Lehrvertragsauflösungen sei in den letzten Jahren stabil geblieben. Zu Auflösungen komme es oft, wenn sich die Eindrücke aus der Schnupperlehre nicht mit dem späteren Berufsalltag deckten.
«Von einigen Coiffeur-Lernenden hören wir, dass sie im ersten Lehrjahr fast nur an Puppen arbeiten oder bei Kunden nur Haare waschen können. Zudem sind die Löhne tief.» Die Ernüchterung darüber sei manchmal so gross, dass sich die Lernenden sagten: «So habe ich mir das nach der Schnupperlehre aber nicht vorgestellt.» 35 Prozent der Coiffeusen EFZ haben ihre Lehre abgebrochen. Der Verband Coiffure Suisse hält dabei fest, dass 83,6 Prozent der Lernenden, die aus der Lehre aussteigen, wieder eine Lehre beginnen.
Preis- und Zeitdruck führt zu mangelnder Betreuung
Laut Ruckstuhl kann man nicht pauschal den Berufsbildnern die Schuld in die Schuhe schieben. Das gelte auch für die Baubranche, wo auch der Beruf Elektroinstallateur angesiedelt ist. Dort betrug die Auflösungsquote 32,4 Prozent. «Elektroinstallateure sind oft auf der Baustelle, arbeiten körperlich hart und sind bei jedem Wetter draussen», sagt Ruckstuhl. Hinzu komme, dass die Firmen unter hohem Preis- und Zeitdruck stünden. «Darum finden einige Berufsbildner zu wenig Zeit, sich um die Ausbildung der Lernenden zu kümmern.»
«Die Lehre ist attraktiv», heisst es beim Berufsverband EIT Swiss. «Die Quote lässt sich zum einen mit dem Wechsel vom Installateur zum Montage-Elektriker erklären, wenn Lernende
schulisch nicht mithalten können. Sie beinhaltet aber auch jene Lernenden, die in der Branche bleiben, aber den Lehrbetrieb wechseln», sagt Sprecherin Laura Kopp. Wichtig sei, dass die Betriebe beim Schnuppern eine seriöse Auswahl treffen. Die Absolventen sollten mit höheren Mindestlöhnen im Beruf gehalten werden, so Kopp.
Gastrobranche reagiert auf Auflösungen
Stark betroffen von Vertragsauflösungen ist auch das Gastgewerbe. 37,6 Prozent der angehenden Restaurationsangestellten werfen den Bettel hin. Bei den Köchen sind es 31,5 Prozent. «Das schmerzt uns sehr», sagt Max Züst, Direktor des Verbands Hotelgastro. Er betont, es gebe auch Fälle, wo die Lehre in einem anderen Betrieb fortgesetzt werde. «Aber es ist ein Fakt: Wir müssen unseren Lernenden mehr Sorge tragen.» Der Verband setzt deshalb im Umgang mit den jungen Menschen an. «Die Gastro fordert viel, der Stresslevel ist hoch.» Da könne es vorkommen, dass in der Küche mal ein hartes Wort falle, das Lernende nicht verkraften, sagt Züst.
Um die Berufsbildner in einem angemessenen Umgang zu schulen, organisiert der Verband wie dieses Jahr auch 2020 eine Tagung für 500 Lehrmeister. Dafür nimmt er rund eine Million Franken in die Hand. Das Ziel: Die Berufsbildner sollen verstehen, wie junge Menschen ticken und wie sie motiviert werden können. Ebenfalls würden die Berufsprofile erneuert, sagt Züst: «Restaurationsfachleute können sich auf Sommelier oder Barista spezialisieren, die vegetarische oder vegane Küche erhält im Kochberuf mehr Stellenwert.»
Warum schneidet das KV gut ab?
Am anderen Ende der Rangliste steht die Branche Wirtschaft und Verwaltung. Bei den KV-Lernenden betrug die Auflösungsquote nur 10,5 Prozent. Michael Kraft, Leiter Bildung beim Kaufmännischen Verband, erklärt dies so: «Auch nach einer kurzen Schnupperlehre ist beim KV den meisten Jugendlichen klar, was sie im Arbeitsalltag erwartet.» Die geregelten Arbeitszeiten unterschieden sich kaum von der gewohnten Schulstruktur. «Und sie ermöglichen den Jugendlichen, weiter Kollegen zu treffen und Hobbys zu pflegen», so Kraft.