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12.500 Euro brachte Hitlers Zylinder. © Hermann Historica/dpa
NS-Devotionalien

Wer Hitlers Klamotten meistbietend ersteigert

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Wer kauft gerne Nazi-Sachen? Und warum anonym? Wenn schon versteigern, dann wäre zumindest Transparenz gefragt. Die Kolumne.

Auch Hitler ging in die Oper. Vornehmlich in die von Wagner. Eine Gelegenheit, seinen eleganten Zylinder zu lüften, den er bereits 1933, bei seiner Vereidigung als Reichskanzler, trug. Seine Geliebte Eva Braun machte sich nicht minder gern im seidenen Cocktailkleid schick.

Nur schade, dass nicht die Motten über beider Ausgehsachen hergefallen sind, die sich in 40 von einem alliierten Offizier vor Kriegsende beschlagnahmten und an einen US-Händler verkauften Koffern befunden haben sollen. So landete das eingemottete Zeugs vorige Woche auf einem Auktionstisch im Münchner Vorort Grasbrunn, genauso eine Menge anderer Utensilien aus der High Society des Dritten Reichs.

Hitlers Tafelsilber ist gefragt

Dass die NS-Eliten sich nach Feierabend kultiviert gaben, weiß man. Schauriges Sinnbild dafür ist der Lagerkommandant in Auschwitz, der sich nach einer Selektion an einem Puccini- oder Schumann-Konzert erbaute, dargeboten vom Häftlingsorchester. Aber was zum Teufel bewegt Sammler heutzutage, vierstellige Summen für einen Löffel aus Hitlers Tafelsilber oder eine Zuckerdose aus seiner Reichskanzlei hinzulegen? Ist es der Schauer, den man angesichts des Essbestecks, mit dem dereinst der „Führer“ speiste, empfindet? Vielleicht gar Nostalgie? Oder handelt es sich um eine Investition, ähnlich wie im modernen Kunsthandel, weil sich die Memorabilien womöglich in Zukunft noch teurer verhökern lassen?

Der einzige Käufername, der bislang bekannt wurde, ist der des libanesischen Geschäftsmanns Abdallah Chatila. Er machte eine halbe Million Euro locker, damit illustre Dinge wie Hitlers Zylinder oder Görings Schmuckausgabe von „Mein Kampf“ eben nicht in den Händen von NS-Apologeten landeten, sondern bei seinen jüdischen Freunden in Israel. Die angeblich durch die Bank seriösen Mitbieter zogen schamhaft die Anonymität vor.

Rekordumsatz mit Nazi-Sachen

So oder so, mit der Versteigerung von über 800 Einzelstücken aus Nazi-Besitz, darunter Kriegsorden und ein SA-Ehrendolch, erzielte das Auktionshaus Hermann Historica einen Rekordumsatz. Das eine oder andere Nazi-Abzeichen, das in München den Zuschlag erhielt, werde zwar sicher irgendwann bei irgendeinem Rechten landen, er wolle da nichts beschönigen, räumt Geschäftsführer Bernhard Pacher freimütig ein. Aber bitte, welcher pöbelnde Neonazi kaufe denn für 10 000 Euro ein Original, wenn er für 50 auf dem Schwarzmarkt eine Nachbildung haben könne.

Pacher selber hat kein Problem, mit dem Kult Kasse zu machen. Die exklusiven, mit Provenienz-Papieren versehenen NS-Exponate seien doch alles Dinge, die uns, um Hannah Arendt zu zitieren, „die Banalität des Bösen“ begreiflich machen könnten.

Fotoalbum des Halle-Attentäters gefällig?

Dergleichen Argumente finden sich in Pachers Brief an Rabbi Menachem Margolin in Brüssel, dessen Protest gegen den anrüchigen Devotionalienhandel schon im Vorfeld für Wirbel gesorgt hatte. Jetzt legte der Rabbiner der European Jewish Agency nach, indem er die Bundestagsfraktionen aufforderte, per Gesetz zumindest die Auktionshäuser zur Weitergabe der Käufernamen an die Behörden zu verpflichten. Die wüssten dann wenigstens, mit welchen Pappenheimern man es bei den Interessenten an Nazi-Krempel zu tun habe.

Eine gute Idee. Sollten eines Tages Osama Bin Ladens Salatschüssel, die Kaffeetasse von Anders Breivik oder ein Fotoalbum des Halle-Attentäters Stephan B. öffentlich versteigert werden, würde man ja auch nicht ruhig zusehen. Mehr Transparenz ist bitter nötig, schon aus Präventionsgründen.