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t-online.de-Kolumnistin Uschi Disl (l.) glaubt, dass das deutsche Team den Rücktritt von Laura Dahlmeier (M.) gut auffangen wird.Quelle: Schildkröt/Imago/Alnader/Springstrow/t-online.de/imago images
MEINUNG | Biathlon-Legende Disl über Dahlmeier  

Schade für den Sport, wenn ein solches Ausnahmetalent so früh aufhört

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Vor dem Saisonstart in Östersund fragt sich Biathlon-Deutschland, wie es nach dem Rücktritt von Superstar Laura Dahlmeier weitergehen soll. t-online.de-Kolumnistin Uschi Disl hat dazu ihre ganz eigene Meinung.

Liebe Leserinnen und Leser von t-online.de,

am Samstag ist es endlich soweit: Die neue Biathlonsaison beginnt! In Östersund, gut drei Autostunden von meinem Wohnort Mora entfernt, steht der erste Weltcup 2019/20 auf dem Programm. Da das für schwedische Verhältnisse quasi in der Nachbarschaft ist, werde ich es mir natürlich nicht nehmen lassen, vor Ort dabei zu sein und die Athletinnen und Athleten anzufeuern.

Die große Frage aus deutscher Sicht lautet: Wie schlagen sich die Damen ohne Superstar Laura Dahlmeier? Die Doppel-Olympiasiegerin von Pyeongchang hat ihre Karriere mit nur 26 Jahren beendet und widmet sich nun anderen Dingen wie ihrem Studium oder ihrer Kletter-Leidenschaft. Ganz ehrlich: Ich hätte in ihrem Alter noch nicht aufhören wollen, denn da fing meine sportliche Karriere erst richtig an. Dennoch verstehe ich Laura, denn sie hat schon als Siebenjährige mit Biathlon begonnen und war fast zwei Jahrzehnte dabei. Da ist es verständlich, dass man irgendwann etwas anderes ausprobieren möchte. Aber natürlich ist es schade für den Sport, wenn ein solches Ausnahmetalent so früh aufhört.

Uschi Disl wurde zwischen 1990 und 2006 zu einer Institution im Biathlon-Weltcup. Mit zwei Gold-, vier Silber- und drei Bronzemedaillen gehört sie zu den erfolgreichsten deutschen Winterolympioniken. Heute wohnt sie mit ihrer Familie im schwedischen Mora, betreibt die dortige Vertretung des Skiwachs-Herstellers HWK und ist Botschafterin der Firma Viessmann.

Fest steht: Laura war eine sichere Bank im deutschen Team und hinterlässt eine große Lücke. Ich erwarte aber trotzdem, dass die deutschen Mädels wieder ganz vorne dabei sein werden. Vor allem Denise Herrmann. Nach ihrem Wechsel vom Langlauf zum Biathlon hat sie etwas gebraucht, um richtig reinzukommen. Heuer wird sie richtig durchstarten. Ich bin mir sicher, dass Denise in diesem Jahr im Weltcup mehrere Podestplätze gelingen werden und auch bei der Weltmeisterschaft im Februar in Antholz werden von ihr einige Medaillen kommen. Auch WM-Gold ist für Denise immer drin. Wir sollten aber aufpassen, ihr keinen zu großen Rucksack aufzusetzen. Aktuell werde ich oft gefragt, ob Denise in Lauras Fußstapfen treten kann? Das ist eine sehr schwierige Frage. Denn man muss immer sehen, dass Laura fast 20 Jahre Biathlon gemacht hat und Denise erst seit drei Jahren im Weltcup dabei ist. Sie wird auf jeden Fall ihren Weg machen. Welche Medaillen dabei herausspringen, wird man sehen. Der Weg nach oben ist für Denise jedenfalls frei.           

Gespannt bin ich auch auf die anderen deutschen Mädels – allen voran Franzi Preuß und Vanessa Hinz. Beide haben bereits Weltcuprennen gewonnen und sind auch in dieser Saison gut. Dank weiterer starker Athletinnen wie Franzi Hildebrand, Karolin Horchler und Anna Weidel gehören die Deutschen gerade in der Staffel für mich zum Favoritenkreis. Das Team passt gut zusammen und versteht sich untereinander offenbar auch sehr gut.

Doch die anderen Nationen schlafen nicht. Besonders die Italienerinnen mit der amtierenden Weltcupsiegerin Dorothea Wierer und der Zweitplatzierten Lisa Vittozzi sind stark und werden das auch wieder zeigen. Ich erwarte aber nicht, dass sie den Gesamtsieg erneut unter sich ausmachen. Dafür gibt es mit Kaisa Mäkäräinen, Marte Olsbu Roeiseland oder Hanna Öberg eine zu große Konkurrenz. Die Französinnen muss man ebenfalls auf der Rechnung haben und natürlich kann auch Denise ganz vorne mitmischen.

Ich würde Bö den Rekord zutrauen

Sogar noch ein bisschen härter als bei den Damen ist die Konkurrenz bei den Herren. Dort blickt alles auf das Duell zwischen Vorjahressieger Johannes Thingnes Bö und Martin Fourcade. Beide sind Wahnsinnsathleten. Das wird ein heißer Fight. Martin hat in der letzten Saison einige Tiefschläge einstecken müssen und ist nach sieben Weltcupgesamtsiegen in Folge deutlich hinter Bö gelandet. Er hat plötzlich gemerkt: Es geht nicht mehr so leicht wie vorher und er hatte besonders läuferisch ungewohnte Probleme. In der Vorbereitung wird er beinhart trainiert haben, um sich den Platz an der Spitze zurückzuholen.

Trotzdem würde ich Johannes den Rekord von 16 Einzelsiegen aus der Vorsaison erneut zutrauen. Er ist einfach ein herausragendes Talent, das sich teilweise schon in Björndalen-Dimensionen bewegt. Ich traue ihm sogar zu, im Laufe seiner Karriere in diese Sphären vorzustoßen. Mit seinen 26 Jahren ist Johannes auf einem guten Weg dahin und er hat vor allem die mentale Stärke dazu.

Auch die deutschen Herren gehen mit einem hochkarätigen Team an den Start. Arnd Peiffer wird den Ball zu Saisonbeginn – wie gewohnt – flach halten. Von ihm erwarte ich im Dezember noch keine Wunderdinge. Aber dann wird er erfahrungsgemäß immer besser, steigert sich immer weiter. Deshalb ist Arnd für mich ein großer Kandidat für die WM im Februar. Da wird er zuschlagen und auch bei dem einen oder anderen Weltcup auf dem Podium stehen. Benni Doll wird ebenfalls vorne mitmischen. Er ist am Schießstand zwar manchmal ein bisschen wild, aber auf Skiern extrem stark.

Bei Simon Schempp muss man abwarten, wie er nach der schwierigen letzten Saison mit vielen gesundheitlichen Problemen zurückkommt. Ich würde mich sehr freuen, wenn er an seine vorherigen Leistungen anknüpft – denn Simon hat ja schon gezeigt, dass er’s kann. Wenn das gelingt, sind die Top 5 im Gesamtweltcup drin. Ähnlich sieht es bei Erik Lesser aus. Doch auch, wenn es in den Einzeldisziplinen nicht so klappen sollte: Zusammen sind die Jungs stark, weshalb in der Staffel einiges drin ist.

Auf eine tolle Saison mit spannenden Rennen,

Ihre Uschi Disl