Bürgernähe & Co.
Leserfragen: Bürgermeister-Kandidaten Gantz und Staub antworten
• Bürgermeisterwahl in Eisleben: Am Sonntag, 1. Dezember, findet die Stichwahl statt.
Die beiden Kandidaten Kathrin Gantz (Die Linke) und der von der CDU nominierte Carsten Staub (parteilos) antworten auf Fragen von MZ-Lesern.
Eric Kluge: Wie wollen Sie mit Graffiti in Eisleben umgehen? Ist es denkbar, vom Verbotskurs abzurücken und Freiflächen zur Verfügung zu stellen, wie zum Beispiel in Halle?
Gantz: Ich würde Freiflächen zur Verfügung stellen und Akteure und Entscheidungsträger ins Boot holen, denn schöne Graffitis können wirklich Freiflächen und Objekte aufwerten und für die jugendlichen Sprayer ist die Graffitikunst eine Möglichkeit für Selbstausdruck und Gemeinschaft.
Staub: Ich würde den Sprayern, die sich für Freiflächen interessieren, den Dialog darüber anbieten, was rechtlich machbar und sinnvoll ist. Hier ist aber der vertrauensvolle Umgang gefragt, damit zukünftig das Besprühen von Hauswänden möglichst unterbleibt und ein gewisser Selbsterziehungseffekt eintritt.
Eric Kluge: Wie soll mit Jugendclubs verfahren werden? Vor allem auf den Dörfern holt man die ältere Jugend/die jungen Erwachsenen nicht ab. Wäre es möglich, eine Art Gemeinderaum rund um die Uhr als Treffpunkt zu öffnen?
Gantz: Die Jugendsozialarbeit in Eisleben werde ich mit Projekten neu beleben und dafür Räume schaffen. Die Jugend von heute sind die Fachkräfte von morgen! Aus diesem Grund müssen wir mehr Lebensqualität bieten und wie bisher Rahmenbedingungen schaffen.
Staub: Sinnvolle Freizeitangebote für Jugendliche sind ganz wichtig. Deshalb sind Jugendclubs zu erhalten und zu fördern. Aber auch die wertvolle Vereinsarbeit ist nicht hoch genug zu würdigen. Die Aufgabe ist, im Dialog die Bedürfnisse und Wünsche der Jugendlichen zu erkennen, um sie zielgerichtet im Rahmen der Möglichkeiten zu unterstützen.
Frank Grangladen: Wenn Bürger durch Beschwerden an die jeweiligen Abteilungsleiter auf Missstände aufmerksam machen, wie wollen Sie dann handeln?
Gantz: Bürgernah heißt für mich, dass alle Bürgerinnen und Bürger persönlich ihr Anliegen bei mir vortragen können.
Staub: Bürgerbeschwerden über Missstände sind ernst zu nehmen und schnellstmöglich zu bearbeiten und zu beantworten. Sollte es erforderlich sein, auf jeden Fall auch mit einem Vor-Ort-Termin oder persönlichen Gespräch. Es geht um eine bürgernahe Verwaltung mit Dienstleistungscharakter. Dafür stehe ich auch gern persönlich zur Verfügung.
Frank Müller: Was möchten Sie tun, um Eisleben für Touristen interessanter zu machen? Heute ist es meist nur einen kurzen Stopp wert. Für mehrere Tage ist Wittenberg für Luther-Touristen die bessere Wahl.
Gantz: Gemeinsam mit den vorhandenen Einrichtungen, Vereinen, Dienstleistern und Gastronomen niveauvolle Angebote erstellen und den Kultur- und Bergbautourismus entwickeln. Die Möglichkeiten der Unesco-Förderprogramme sind dabei zu nutzen.
Staub: Mit der Tourist-Information und den entsprechenden Stellen sind konzeptionelle Voraussetzungen zu schaffen, dass Touristen sich möglichst mehrere Tage in Eisleben aufhalten. Dazu sind kulinarische und kulturelle Angebote wie zum Beispiel ein Theaterbesuch einzubinden. Eisleben hat viele interessante Stellen und Geschichten zu bieten, die die Touristen auch zum Selbstentdecken einladen sollten, vor allem auch, was Kinder betrifft.
Frank Müller: Die Kapazität der Ingenieurschule betrug zu DDR-Zeiten circa 5.000 Studenten. Gibt es Bemühungen, Eisleben als Bildungsstandort, in Tradition der Ingenieurschule, zu etablieren?
Gantz: Anknüpfend an eine der ersten aktuellen Kooperationsvereinbarungen zwischen der Hochschule Harz und uns werden wir weitere Synergien, wie zwischen der Helios-Klinik und der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, umsetzen. Junge Fachkräfte müssen wir zurückgewinnen, Formate wie das „Akademische Lehrkrankenhaus“, „Helle Köpfe“ und der „Erste Rückkehrer-Tag“ unterstütze ich hundertprozentig.
Staub: Es sind alle Bemühungen zu unternehmen, die einer zukünftigen Ansiedelung einer Fachhochschule oder ähnlichem in Eisleben zuträglich sind. Dies wäre ein wichtiger Wirtschaftsfaktor und würde junge Menschen in die Lutherstadt führen. Das wichtige Ziel Bildungsstandort Eisleben kann nur im Dialog auf Landes- und Bundesebene mit starker Stimme erreicht werden.
W. Kohl: Bitte schildern Sie konkret Ihren Standpunkt zur Situation der Nahversorgung im Bereich Helbraer beziehungsweise Gerbstedter Straße nach der angekündigten Schließung der Aldi-Filiale.
Ganz: Um die Versorgung für das nördliche Stadtgebiet auszubauen, ist die Entwicklung des Nahversorgungszentrums in der Gerbstedter Chaussee entscheidend. Geplant ist der Neubau eines Edeka-Vollsortimenters mit einer Verkaufsfläche von circa 2.000 Quadratmetern. Das Projekt ist schnellstens umzusetzen.
Staub: Die Nahversorgung der Menschen ist eine wichtige Grundvoraussetzung in der Gesellschaft. Hier sind alle Anstrengungen zu unternehmen, Neuansiedlungen zu akquirieren, damit man diesem Anspruch gerecht werden kann.
Roland Ehrholdt: Was möchten Sie im Stadtgebiet in puncto Barrierefreiheit tun und wie wollen Sie das finanzieren?
Gantz: Das vorliegende barrierefreie Wegeleitsystem werde ich den Planungsabläufen entsprechend umsetzen. Der Stadtseniorenrat ist ein wichtiges Bindeglied zwischen der älteren Bevölkerung, der Verwaltung und Politik. Ich werde ihn unbedingt mit seinen Projekten und Ideen einbeziehen.
Staub: Die Barrierefreiheit ist ein ganz wichtiges Thema. Diese ist unter Ausschöpfung aller Fördermöglichkeiten bei den Straßen, Geh- und Radwegen und Plätzen zu verbessern. Nicht zu vergessen ist der Abbau von sprachlichen und digitalen Barrieren, auch für Bürger, die Einschränkungen des Seh- und Hörvermögens haben. Sie sollen aktiv am gesellschaftlichen Leben teilhaben. Hier ist ein gesamtheitliches Konzept sehr hilfreich, unter Einbindung des Stadtseniorenrats und der jeweiligen Interessenverbände.
Horst Tetzel: Was würden Sie für die Neustadt tun, um die Wohn- und Lebensumstände endlich zu verbessern? Auch das Alte Gericht muss wieder hergerichtet werden, denn dort sind täglich Touristen auf dem Lutherweg unterwegs.
Gantz: Für die Stärkung der Neustadt müssen die Fördergebiete erweitert werden. Der „Freiblick Annenkirche“ und ein damit verbundener Kinderspielplatz würden die soziale Infrastruktur verbessern. Die Verbesserung der Gehwege, Straßen und Plätze möchte ich schneller als bisher erreichen und setze dabei auf die Zusammenarbeit mit unseren kommunalen Beteiligungen. Natürlich gehört das denkmalgeschützte Neustädter Rathaus für mich dazu.
Staub: Ich war in den letzten Wochen sehr oft in der Neustadt unterwegs und habe interessante Gespräche mit Bürgern führen können. Dieser Stadtteil hat geschichtlich einen großen Stellenwert in Eisleben und darf nicht vergessen werden. Insbesondere bei den Straßen und Wegen sind unbedingt Bemühungen zu unternehmen, um zumindest das innerstädtische Niveau zu erreichen.
Bernd Furchheim: Ich wohne seit circa 20 Jahren in Wimmelburg. Mindestens einmal in der Woche fahre mit dem Fahrrad nach Eisleben. Aber der Weg ist gefährlich, da es von Wimmelburg nach Eisleben keinen Radweg gibt. Kann daran etwas geändert werden? Was soll überhaupt für Radfahrer verbessert werden?
Gantz: Durch die zunehmende E-Mobilität wird das Radfahren noch attraktiver werden. Im Zuge dessen werden Radwege zu den Nachbargemeinden und in der Stadt neu entstehen. Auch Radschnellwege und Fahrradzonen gehören dazu.
Staub: Der Ausbau guter Radwege ist nicht zuletzt aus Gesundheitsgründen sehr wichtig. Die Wege sind nutzbar und nachhaltig auszubauen. In dem konkreten Fall ist mit der Gemeinde Mansfelder Grund-Helbra an gemeinsamen Lösungen zu arbeiten.
Klaus Müller: Was wollen Sie anders machen, um die Ordnung und Sauberkeit in der Stadt spürbar zu verbessern?
Gantz: Die Verbesserung der öffentlichen Ordnung und Sauberkeit ist eine ständige Aufgabe, die nur durch eine materielle und personelle Stärkung unseres Ordnungsamtes und durch eine noch engere Zusammenarbeit mit der Polizei erreicht werden kann.
Staub: Durch regelmäßige und starke Präsenz des Ordnungsamtes sollen nicht nur Missstände aufgedeckt werden, sondern auch präventive Maßnahmen erfolgen. Die Außendienstmitarbeiter sollen Verfehlungen konsequent verfolgen. Ordnung und Sauberkeit gehen alle etwas an, hier ist das Vorbild gefragt. Auch die Unterstützung durch andere Behörden ist unbedingt einzufordern.
Ralf-Dieter Matuschek: Wie wollen Sie konkret die Vereine unterstützen?
Gantz: Mit mir wird die kulturelle Vielfalt erhalten bleiben. Das Ehrenamt zu stärken, ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, je stärker ein Verein ist, desto mehr kann eine Stadt davon partizipieren. Ich habe die gesamte Stadt mit ihren Ortschaften im Blick. Die Ortschaften brauchen unsere vollste Unterstützung zur Stärkung des Ehrenamtes, des Brauchtums, der kulturellen Identität. Dabei ist eine zielführende Zusammenarbeit mit den Ortschaftsräten und den Ortsbürgermeistern sehr wichtig.
Staub: Die Vereinsarbeit ist ein existenzieller Teil unserer Gesellschaft. Vor allem die Nachwuchsarbeit in der gesamten Lutherstadt Eisleben bildet unterschiedliche Angebote ab. Ich mache mich dafür stark, dass die Vereine finanzielle Unterstützung erhalten und die Stadt im Rahmen ihrer rechtlichen Möglichkeiten auch die Öffentlichkeitsarbeit unterstützt, vor allem bei der Nachwuchsgewinnung. Vereinsarbeit ist eine Herzensangelegenheit.