Vorbehalte unter den Kollegen

Stellt endlich Lehrer mit Migrationshintergrund ein!

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Die multikulturelle Gesellschaft werde im Lehrerzimmer kaum repräsentiert, kritisiert die BILD-BloggerinFoto: DigitalVision/Getty Images

Frau Bachmayer ist Mitte 30 und Lehrerin. Sie liebt ihren Job – aber natürlich gehen ihr ihre Schüler und Kollegen manchmal richtig auf den Keks. Bei BILD plaudert sie jeden Freitag aus dem Nähkästchen. Da sie dennoch gern ihren Job behalten möchte, bloggt sie anonym als Frau Bachmayer. Ihre Geschichten aber sind echte Geschichten einer garantiert echten Lehrerin – die oft zwischen allen Stühlen sitzt.

Unterricht in der Klasse 6c. Dort sitzen Shaiman, Nicolae, Serhat, Octavian, Arjona, Selma, Bahabin, Sibel und noch Leon, Nico, Milan, Selina und Michelle. Morthata und Abed sind ganz neu aus Syrien dazugekommenen. Für die meisten von ihnen ist Deutsch ihre Zweitsprache.

Bei uns an der Schule hat mindestens die Hälfte aller Kinder einen Migrationshintergrund. Insgesamt hat rund ein Drittel aller Schüler nicht-deutsche Eltern. Dagegen spiegelt unser Lehrerzimmer etwas ganz anderes wider.

Von fast 70 Kollegen haben nur zwei Lehrerinnen türkische, ein Lehrer russische und ein Lehrer syrische Wurzeln – man kann durchaus sagen, dass, wir, Lehrer aus zumeist bürgerlich-deutscher Herkunft, unsere multikulturelle Gesellschaft kaum repräsentieren.

Vielfalt im Klassenzimmer = Vielfalt im Lehrerzimmer?

Ob mehr Vielfalt im Lehrerzimmer zu besseren Leistungen und einer verbesserten Integration von Schülern mit Migrationshintergrund führt, ist nicht nur unter Experten umstritten. Vielen meiner Kollegen gefällt die Vielfalt im Klassenzimmer nicht unbedingt – da wollen sie Lehrer mit albanischen, arabischen oder rumänischen Wurzeln nicht auch noch im Kollegium. „Bitte nicht noch mehr von diesen Schwarzköpfen unter uns“, regt sich Menke auf, als unser Schulleiter ankündigt, bevorzugt Quereinsteiger mit Migrationshintergrund einzustellen.

Unsere Pädagogen mit Migrationshintergrund
sind heiß begehrt

Unsere Referendarin Media Topcu hat alle Hände voll zu tun. Sie spricht nicht nur mit vielen Schülern kurdisch, sondern ist auch für alle möglichen Elterngespräche zuständig. „Mir ist das alles zu viel“, klagt sie mir ihr Leid. „Ich habe alle kurdischen Sprachenlerner, bin die Dolmetscherin für die Elterngespräche und Elternzettel.“ Und das neue Aushängeschild der Schule ist sie auch noch. Beim Tag der offenen Tür wurde sie von unserem Schulleiter stolz den Eltern präsentiert. Ganz nach dem Motto: Seht her, wie tolerant und multikulti unsere Schule doch ist. Mein russischer Kollege Ivan Popow führt die Elterngespräche mit russischen Eltern und unser syrischer Quereinsteiger Fadi Suleimann mit arabischen.

Vorbehalte unter den Kollegen

Auch wenn es viele unserer Schüler toll finden, einen Lehrer mit ihren Wurzeln als Vorbild zu haben, so gibt es viele Vorbehalte in unserem Kollegium. Vor allem Fadi und Ivan ecken als sogenannte Exoten öfter an. Fadi ist wenig integriert bei uns und möchte es auch selbst gar nicht sein. Teamfähigkeit ist nicht seine Stärke. „Ich lasse mir nie was sagen, von niemandem“, raunzt er Roswitha an, als die ihm erklärt, dass er einen Fünftklässler nicht ohne Erlaubnis der Eltern nach Hause schicken darf. Ivan unterrichtet Deutsch. „Wie soll jemand mit so starkem Akzent unseren Schülern Deutsch beibringen?“, motzt Menke. „Der soll erst mal selbst vernünftig sprechen. Was Media betrifft, stößt diese mit ihren kurdischen Übersetzungen auf Unverständnis. „Hier wird Deutsch gesprochen und nicht Kurdisch“, heißt es da.

Auf den Lehrer (mit Migrationshintergrund) kommt es an

Meine Kollegen mit Migrationshintergrund werden im Lehrerzimmer, ähnlich wie unsere Schüler, tagtäglich mit Vorbehalten und Rassismus konfrontiert. Daher verstehen sie unsere Schülerschaft besser als ich oder Menke. Selbst wenn sich die Leistungen der Schüler nicht verbessern, so können Fadi, Ivan und Media sich doch viel besser in Sayd und Sibel einfühlen und Verständnis für ihre Probleme aufbringen.

Allgemein machen sich die Schwierigkeiten bei der Integration also nicht nur im Klassenraum, sondern auch bei uns im Lehrerzimmer bemerkbar. Und vor allem deshalb, brauchen wir endlich mehr Vielfalt im Lehrerzimmer, damit Vorbehalte abgebaut werden und Integration dort irgendwann mal ankommt.