EU-Chef Juncker zieht zum Abschied Bilanz
„Ich fühlte mich als Europas Familien-Therapeut“
Stabwechsel in Brüssel: Vor dem Start der neuen Führung der Europäischen Union verabschiedet sich Kommissionschef Jean-Claude Juncker nach fünf Jahren aus seinem Amt. Im Newsletter des Magazins „Politico“ zieht er Bilanz.
Am 1. November 2014 begann seine Amtszeit als Präsident der Europäischen Union. Davor war er von 2005 bis 2013 Chef der Eurogruppe. Am Freitag ist sein letzter Arbeitstag und ab Sonntag übernimmt Ursula von der Leyen.
Nach 15 Jahren Politik in Brüssel, nimmt er jetzt im Newsletter „Playbook“ Abschied. „Playbook“ ist das tägliche Briefing des Magazins „Politico“, das auf die europäische Politik spezialisiert ist.
Jean-Claude Juncker über...
▶︎ ... den Brexit: „Vier Jahre nach der Brexit-Entscheidung, bin ich derjenige, der geht, bevor es Großbritannien macht. Ich bin darüber nicht unglücklich, denn es bricht mir das Herz, dass ein Mitglied unsere Union verlässt.“
▶︎ ... die größte Krise seiner Amtszeit, den griechischen Sommer 2015: „Wir verbrachten sieben Monate, 16 Eurogruppen-Treffen und vier Euro-Gipfel kämpfend, um Griechenland in der Eurozone zu halten. Das war eine herausfordernde Zeit für uns – und für niemanden mehr als die mutigen Menschen in Griechenland. Und ich sage das, nachdem ich einer der ‚Erwachsenen im Raum‘ in den mehr als 500 Treffen des Rates war. Diese Monate verdienen ein eigenes Buch – mit dem griechischen Volk als echte Helden der Geschichte.“
▶︎... „Familien-Fehden“: „In den vergangenen Jahren habe ich mich oft gefühlt wie Europas Familien-Therapeut, der versucht, alle glücklich zu machen und bei der Stange zu halten.“
▶︎ ... seine Nachfolgerin Ursula von der Leyen: „Wir brauchen mehr von dem, was ich ‚Weltpolitikfähigkeit' nenne. Und ich bin froh, dass Ursula von der Leyens Kommission diese Fackel weiter tragen wird.“
▶︎ ... Donald Trump: „Manchmal ist die Größe entscheidend. Beim G7-Gipfel in Taormina (Italien) 2017 stellte mich US-Präsident Donald Trump seiner Frau Melania mit den Worten vor: „All diese Regierungschefs – Merkel, Macron usw. – sind für ihr Land verantwortlich. Aber Jean-Claude ist verantwortlich für 28!“ Ich habe nicht versucht, den Unterschied zwischen mir und dem anderen Donald (Tusk) zu erklären.“
Donald Tusk war Ratspräsident, er übergibt seinerseits die Amtsgeschäfte an seinen Nachfolger, den Belgier Charles Michel. Tusk und Juncker bildeten in den vergangenen fünf Jahren eine Doppelspitze.