«Ich würde gerne ein paar Banker im Gefängnis sehen»

Die Aufdeckung des Milliarden-Korruptionsskandals 1MDB und die teils massiven Folgen für Schweizer Banken haben einen Ursprung: den Blog «Sarawak Report». finews.ch sprach mit der Enthüllungs-Journalistin Clare Rewcastle-Brown.


Frau Rewcastle-Brown, in Malaysia wird wegen des 1MDB-Skandal dem Ex-Premierminister Najib Razak der Prozess gemacht. Wird dieser weitere Teile des Korruptionsskandals enthüllen?

Das Gerichtsverfahren eröffnet mir die Möglichkeit, den gesamten Fall nochmals detailgetreu nach zu verfolgen. Es ist die Anatomie eines Finanzskandals von bislang nicht da gewesenem Ausmass. Er offenbart extrem viele Schwachpunkte in unserem Finanzsystem und der Regulierung und zeigt die bewusste Nachlässigkeit in Banken, wenn es darum geht, grosse Summen zu transferieren.

Wie beurteilen Sie die Situation der involvierten Banken?

Ich glaube, Goldman Sachs steckt in ernsthaften Schwierigkeiten. Alle sagen, dort arbeiten die 'Masters of the Universe', es sei die Teflon-Bank. Die Gerichtsdokumente zu lesen, ist erschreckend. Die Schuldigen sind ganz oben in der Bank angesiedelt. Und das rückt sie in eine ganz heikle Lage.

Wie steht es um einzelne Banker wie beispielsweise Hanspeter Brunner, Asien-Chef der früheren BSI, der Jho Low als Kunde betreute?

Er war mal Asiens Banker des Jahres! Ich hätte gedacht, dass Brunner davon kommen würde. Doch er sitzt immer noch in Singapur fest (Brunners Anwalt kommentierte dies nicht).

Im Zuge der Aufdeckungen Ihres «Sarawak Report» wurden Dutzende von Bankern sanktioniert, mit einem Berufsverbot belegt und landeten teilweise auch im Gefängnis. Erfüllt Sie das mit Genugtuung?

Es bereitet mir kein Vergnügen, dass wegen mir irgendjemand im Gefängnis sitzt.

«Tim Leissner könnte dies blühen»

Aber es ist unser Job als Journalisten, Leute zur Verantwortung zu ziehen. Auch die Mächtigsten müssen wissen, dass sie nicht über dem Gesetz stehen.

Was muss in Bezug auf die involvierten Banken und Banker noch geschehen?

Ich würde es begrüssen, wenn Goldman Sachs die Lizenz verlöre und einige Banker ins Gefängnis wandern müssten. Tim Leissner, dem früheren Südost-Asien-Chef, könnte dies durchaus blühen.

Was muss bezüglich 1MDB noch aufgearbeitet werden?

Was ist mit der Untersuchung der Schweizer Bundesanwaltschaft gegen die Chefs von Petrosaudi und vor allem gegen Tarek Obaid, der in Genf lebt und schweizerisch-saudischer Doppelbürger ist? Er ist mehr als nur ein Finanzkrimineller. Ihm können schwere Vergehen nachgewiesen werden, wie Erpressung und Bestechung von Behörden, um jemanden ins Gefängnis zu bringen.

Sie sprechen Xavier Justo an, ein Schweizer Whistleblower, der in Thailand während 18 Monaten im Gefängnis sass.

Genau. Vertreter von Petrosaudi sitzen weiterhin auf sehr viel Geld – das gestohlen wurde. Ich möchte wissen, was die Schweizer Behörden dagegen tun. Die in 1MDB involvierten Schweizer Banken wurden wegen Geldwäscherei von der Finma bestraft. Was ist der Grund für die Verzögerungen bezüglich Petrosaudi?

Sie begannen vor rund zehn Jahren über 1MDB zu schreiben.

Ja, es war eine faszinierende journalistische Reise. Eigentlich hätten grosse renommierte Medien sich des Falls annehmen müssen – aber sie taten es nicht. Ich realisierte relativ früh, dass dies eine Skandalstory von globalem Ausmass war.

«Die juristischen Attacken waren herausfordernd»

Ich dachte mir: «Wenn niemand sonst den Job macht, macht ihn besser eine Person als gar keiner.»

Das grosste Thema Ihres Blogs ist die Korruption in Malaysia.

Als ich «Sarawak Report» startete, entdeckte ich die Macht des Internets. Man kann so viel herausfinden, wenn man sich um ein Uhr morgens mit einem Glas Wein an den Computer setzt, nachdem die Kinder ins Bett gegangen sind (lacht).

Jho Low, der mutmassliche Drahtzieher, ist weiterhin auf der Flucht, hat aber kürzlich einen Deal mit den US-Behörden geschlossen.

Jho Low hat aufgegeben, sein Geld zu retten. Aber die Strafuntersuchungen laufen weiter. Er behauptet weiterhin, er sei unschuldig. China beschützt ihn und wird ihn nicht ausliefern. Er sitzt auf zu viel Informationen, wie China in den Korruptionsfall involviert ist.

Sie müssen enorme Druckversuche ausgehalten haben.

Ja, die juristischen Attacken waren wirklich herausfordernd. Ich besitze nichts, ausser meinem Haus. Vergangenes Jahr hatte ich Rechnungen und Anwaltskosten von über einer halben Million Pfund angehäuft. Wenn ich verloren hätte, wäre das Haus, wo ich mit meinen zwei Kinder wohne, weg gewesen. Das war persönlich schwierig. Aber verglichen mit einem Journalist, der unter dem Regime von Najib Razak in Malaysia arbeiten musste, ist das nichts.


Clare Rewcastle-Brown hat «Sarawak Report» gegründet. Der Blog enthüllte den Milliarden-Korruptionsskandal um den malaysischen Staatsfonds 1MDB. Die Britin ist in der Sarawak-Region geboren und lebt in Grossbritannien. Die 60-Jährige begann ihre Karriere bei BBC. Ihren Blog startete sie im Jahr 2010.