Warcraft 3: Reforged im Test: Geniestreich im Kreuzfeuer

Lang ersehnt und prompt verrufen: Die Neuauflage von Warcraft 3 hat pünktlich zum Release einen Shitstorm geerntet. Trotz schönerer Grafik bleibt die Präsentation unter den Erwartungen und der Multiplayer kommt zwar mit Battle.net-Support, aber auch völlig neuen Problemen im Gepäck. Abschreiben sollte man das Spiel deshalb noch lange nicht, doch die bittere Erkenntnis bleibt: Blizzard hat sich mit diesem Launch verhoben.

Weder Remake noch Remaster: Blizzard verpasste der Neuauflage von Warcraft 3 den schlichten Untertitel Reforged. Der weckt falsche Erwartungen, denn "neu "geschmiedet ist hier außer der Grafik erstaunlich wenig. Da hilft es auch nicht, dass Blizzard selbst das Spiel als "völlige Neuschöpfung" bewirbt. Nun wäre das eigentlich noch kein Problem, bei Starcraft Remastered hat Blizzard schließlich auch nur hübsche 4K-Grafiken drübergepinselt. Doch Warcraft 3: Reforged entfachte gleich zum Release einen regelrechten Shitstorm, die User-Wertungen rasselten in den Keller, manche Käufer verlangten sogar ihr Geld zurück. Wie konnte es nur so weit kommen? Im Test zu Warcraft 3: Reforged begeben wir uns auf Spurensuche.

Schönes Grafik-Upgrade

Die Blizzcon 2018 wird Blizzard so schnell nicht mehr vergessen: Auf ihrer eigenen Fan-Messe mussten die Kalifornier damals ungewohnt heftige Kritik einstecken, vor allem Diablo Immortal sorgte für denkwürdige Szenen. Ganz im Gegensatz zur Ankündigung von Warcraft 3: Reforged, die breites Lob ernten konnte. Schließlich hatten sich viele Fans eine zeitgemäße Neuauflage gewünscht! Neben verschiedenen Upgrades wie einer modernen Battle.net-Einbindung versprach Blizzard damals vor allem stark verbesserte Grafiken - und die bekommt man auch!

Die klobigen Einheiten aus dem Originalspiel wurden in Warcraft 3: Reforged durch liebevoll gestaltete Modelle ersetzt, die erst herangezoomt ihre ganze Schönheit entfalten: Ritter und Krieger tragen nun detailreiche Waffen und Rüstungen, Untoten ragen die Knochen aus ihren Leibern heraus und an vielen Monstern ist nun hübsches Fell und schuppige Haut erkennbar. Dazu gibt's schönere Effekte sowie verbesserte Schatten- und Wasserdarstellung, die Umgebungen wurden aufgehübscht und mit schärferen Texturen beklebt. Das Ergebnis kann zwar nicht nicht mit moderner Strategie-Konkurrenz mithalten, sieht aber immerhin viel besser aus früher. (Übrigens: Viele der neuen Grafiken stammen vom malaysischen Studio Lemon Sky, mit dem Blizzard bereits erfolgreich für Starcraft Remastered zusammengearbeitet hat!)

Grafikvergleich: Original (2002) vs. Reforged (2020)

Enttäuschende Zwischensequenzen

An anderer Stelle wurde den Käufern jedoch eindeutig zuviel versprochen: Auf der Blizzcon 2018 präsentierten die Entwickler noch stark verbesserte Ingame-Zwischensequenzen, in denen die neuen Charaktermodelle mit detailreichen Animationen und stimmungsvoller Gestik glänzten. Davon ist leider nicht viel übrig geblieben: Blizzard hat zwar tatsächlich viele Dialogszenen überarbeitet, doch so cineastisch und stimmungsvoll wie in der Blizzcon-Demo ist das Ergebnis bei Weitem nicht. Immerhin: Neue Kamerawinkel und ein paar frische Details sorgen zumindest dafür, dass sich die Szenen nicht exakt wie im Original anfühlen, dramatischere Momente (z.B. wenn Arthas erstmals Frostmourne in Empfang nimmt) erhalten diesmal ein bisschen mehr Wucht. Trotzdem bleibt ein fader Beigeschmack: Blizzard hätte hier mit offenen Karten spielen und die Käufer darüber informieren sollen, dass man bei der Gestaltung der Ingame-Szenen offenbar deutlich zurückrudern musste.